Geschichtsunterricht, Thema Nationalsozialismus, Januar 2023, es ist nasskalt.
Die ehemalige 9d (Schuljahr 2022/2023) besucht den Gedenk- und Erinnerungsort Neuengamme. Ein vierstündiger Aufenthalt ist geplant, der sehr zugewandte Guide informiert zunächst über die Geschichte des Lagers, ehemalige und aktuelle Baulichkeiten, vor allem jedoch darüber, was ein Konzentrationslager überhaupt ist, über dessen Bestimmung. Ein Rundgang über das große offene Gelände bildet den Auftakt. Durchgefroren betreten wir die Ausstellungsräume, wo uns die fünf Dauerausstellungen kurz vorgestellt werden.
Für Schülerinnen und Schüler gibt es etliche Angebote, sich diesem Ort zu nähern. Im Vorwege hatte die Klasse beschlossen, sich mit Biografien auseinanderzusetzen, also mit Lebensläufen von Opfern und Täter*innen. Gegenstände, Fotos, Zeichnungen, Video- und Audiostationen sowie Informationstafeln veranschaulichen, was dort geschah. Vor allem die schriftlichen Zeugnisse, Dokumente und Berichte der ehemaligen Häftlinge und auch der Vierländer Bewohner*innen, sind Gegenstand unseres Besuchs. Eine Abschlussrunde mit unserem Begleiter vervollständigt diesen Besuch in Neuengamme.
Ein ehemaliges KZ ist Gedenk- und Erinnerungsort. Wessen gedenken wir, wer soll sich erinnern? Welches – pädagogische – Ziel macht ein ehemaliges Konzentrationslager zum Lernort? Was kann bzw. soll „gelernt“ werden? Abgesehen vielleicht von einem Zuwachs an Geschichtskenntnissen, ist zu fragen, welcher Lern“effekt“ erwartbar wäre. Präsentiert werden Zeugnisse unfassbar menschenverachtender und brutaler Verhaltensweisen, initiiert und ausgeführt von Menschen, denen mitmenschliche Regungen anscheinend abhandengekommen waren. Viele aus der Klasse sind erschrocken über das, was hier vermittelt wird. Es geht um den Erlebniswert, sich also aufgrund der Authentizität des Ortes eher vorstellen zu können, welche Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen wurden. Führt der Besuch dieser Stätte zu Einsichten, Empathie, gar veränderten Haltungen? Er ist – so ist zu hoffen –ein Baustein zur Sensibilisierung für gegenwärtige Entwicklungen, die Demokratie und Menschenrechte gefährden. Ein Baustein, eigenes Denken zu reflektieren und Vorurteile infrage zu stellen.
Rund 40 Schüler*innen des 10. Jahrgangs werden im Februar 2024 nach Auschwitz fahren, es wird die 19. Fahrt dorthin sein. Auschwitz ist das Sinnbild für die Verfolgung und Ermordung von vielen Millionen Menschen, vor allem Juden und Jüdinnen. Auschwitz steht für den Versuch eines Genozids. Das Lager wurde am 27. Januar 1945 von der Roten Armee befreit. Am 3. Mai 1945 befreiten britische Truppen Hamburg und damit Neuengamme.
Diejenigen Schüler*innen, die im kommenden Jahr nach Polen reisen, werden sicherlich auch konfrontiert sein mit den gegenwärtigen Ereignissen in Nahost. Eine Herausforderung! Wie gut, dass wir sie annehmen!
Almut Caanitz
Schülerinnen lesen Dokumente ehemaliger Häftlinge Teil des Außengeländes der KZ- Gedenkstätte, die steinernen Erhebungen markieren die Baracken-Fundamente